michael mayr - movements

Wahrnehmung - Bewusstsein - Erfahrung - Lernen
Leistungen der Großhirnrinde zum Verständnis der Dynamischen Integration®
Jede Wahrnehmung muß im übertragenen Sinne immer erst "begriffen" werden, d.h. eingeordnet in ein ganzes System von Gehirnleistungen, die zusammen erst ein typisches Wahrnehmungsbild ergeben.

Alle diese Bilder sind also subjektiv gestaltete Wirklichkeit. Sie sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit aller Rindenbezirke miteinander und mit den tieferen Hirnabschnitten, wobei die Leistung jedes Funktionsgliedes und die Wirkung eines jeden Erregungsablaufes immer wieder von den vorhandenen Grundbedingungen abhängig sind und sich mit diesen auch ändern können.

Fällt ein primäres Zentrum aus, fallen bestimmte Qualitäten unseres Könnens und Empfindens aus. Es wäre aber ganz falsch, daraus zu folgern, daß sich das nervöse Geschehen bei den entsprechenden Funktionen allein in diesen primären Rindenfeldern abspielte. Alle motorischen Felder der Rinde stehen vielmehr miteinander in funktioneller Beziehung, so daß der gleiche Innervationseffekt u. U. von ganz verschiedenen Rindenpunkten aus zustande kommen kann. Das macht ein Variieren und Verfeinern von Lernprozessen möglich und erklärt die Tatsache, daß Funktionsausfälle sich auch innerhalb gewisser Grenzen wieder zurückbilden können (Neuverkabelung).

Jede Wahrnehmung, die folgerichtig umgesetzt werden soll, bedarf des Bewußtseinszustandes. Zur Aufrechterhaltung des Bewußtseins bedarf die Hirnrinde dauernder Anstöße aus tiefer gelegenen subcorticalen Gebieten, insbesondere aus der Form.ret. Mit der Aktivierung der Großhirnrinde werden auch die motorischen Vorderhornzellen beeinflußt, indem ihre Durchgängigkeit für Willkürimpulse erhöht, also die Möglichkeit körperlicher Betätigung verbessert wird.

So führt über dasselbe nervöse Substrat erhöhte Bewußtseinshelligkeit zu erhöhter motorischer Bereitschaft und, da von den absteigenden motorischen Bahnen ebenfalls Impulse zur Form.ret. abgezweigt werden, umgekehrt auch Muskeltätigkeit zu erhöhter Bewußtseinshelligkeit. Desweiteren sei auch nochmals auf die assoziierenden Verknüpfungen mit vegetativen Elementen hingewiesen.

Den primären Feldern sind meist in ihrer Nachbarschaft wieder sekundäre und tertiäre übergeordnet. In den sekundären motorischen Zentren werden die Bewegungsbilder für jeden verwickelteren Bewegungsvorgang entworfen, die dann gewissermaßen den Durchführungsformationen in den primären Zentren als Unterlagen vorgelegt werden, da es ohne sie nicht sinnvoll und zweckentsprechend arbeiten kann. Innerhalb der vielseitigen nervösen Beziehungen beeinflussen sich auch alle sinnlichen Wahrnehmungen gegenseitig.

Je mehr dies der Fall ist, um so höher können sich Einsicht und Verständnis entwickeln. Das geschieht durch die Mitarbeit tertiärer Zentren. In der Leistung dieser Zentren finden die angeborene Individualität wie auch die durch die näheren Lebensumstände, Reifen (Erfahrung) und Lernen veränderte Aktivität des Nervensystems ihren stärksten Ausdruck. Jede Wahrnehmung muß sich also unter Mitbeteiligung des ganzen Gehirns immer wieder schöpferisch neu gestalten.

Das geschieht z.B. durch Anstoß von außen her so, daß aus unendlich vielen Möglichkeiten des Erregungsablaufes jeweils eine ganz bestimmte Kombination bei der Verknüpfung der Rindengebiete untereinander ausgewählt wird. Das so entstandene Wahrnehmungsbild kommt also zustande durch eine ganz bestimmte Erregungsfigur, die vor einem Hintergrund entsteht, von dem sie sich in besonderer Weise abhebt. Bei Lernprozessen kann sie wieder in den Hintergrund treten und durch eine neue ersetzt werden.

Eine wichtige Feststellung ist, daß jede Wahrnehmung überdies immer auch eine reproduktive Komponente enthält, mittels derer ein aktueller Sinneseindruck in den bisherigen Stand der Vorstellungen eingeordnet werden kann. Erst durch die Hilfe der Erfahrung vollzieht sich die Erhebung der Wahrnehmung zum Bewußtseinsinhalt.

Eine ganz besondere Wertigkeit nimmt das Stirnhirn ein. Es ist mit seinen Leistungen sowohl dem motorischen wie dem sensorischen Apparat übergeordnet. Es vermittelt gewisse Wertungen, wobei die ihm aus dem Hypothalamus zufließenden Impulse die Grundlage der Gemütserregungen bildet, welche alle Handlungen mitgestaltend begleiten. So wird auf motorischem Gebiet die richtige Handlung im richtigen psychischen Moment eingeleitet. Vom Stirnpol aus werden auch andere Rindenfelder aktiviert und ihre Leistungen koordiniert mit vegetativen Funktionen.
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